Rechenzentren stehen im Zentrum einer sich immer weiter digitalisierenden Gesellschaft. Doch wie steht es um die Digitalisierung innerhalb der Rechenzentrumsinfrastruktur?
Jede Dateninformation, die weltweit im Internet verarbeitet wird, wird über ein oder mehrere Rechenzentren übertragen. Doch wie steht es um die Digitalisierung innerhalb der Rechenzentrumsinfrastruktur? Kurz: In Sachen Digitalisierung steckt der Rechenzentrumsbetrieb noch in den Kinderschuhen. Das bedeutet für fast alle Prozesse einen extrem hohen administrativen und personellen Aufwand.
Gedruckte Pläne und Schemen geben die zu erledigenden Aufgaben vor, Wartungsprozesse werden telefonisch oder per E-Mail ausgelöst, mit Hilfe von Vordrucken und Formularen abgewickelt. Die anfallenden Unterlagen füllen, unverwaltet abgelegt in Papierform, Ordner und Aktenschränke.
Die Nutzung von intelligenten Datenbanksystemen, die alle Dokumente und Daten eines RZ-Betriebs digital erfassen und miteinander verknüpfen, sind kaum im Einsatz. Technisches und betriebliches Know-how steckt in den Köpfen der Fachspezialisten und kann nur sehr schwerfällig transferiert werden. Schon für einfache Betriebs- oder Wartungsprozesse ist ein hohes Maß an fachlicher Ausbildung oder beruflicher Erfahrung notwendig.
Ursächlich sind viele heterogene Schnittstellen zwischen den beteiligten Akteuren: von der Datenbereitstellung durch Architekten und Planer über ausführende Firmen und Hersteller bis hin zum Fachpersonal der betrieblichen Nutzung bzw. Verarbeitung. Softwarelösungen, wie z.B. Building Information Modeling, Datacenter Information Management und Gebäudeleittechnik, können den Betriebsablauf unterstützen. Doch handelt es sich dabei um proprietäre Systeme, die keine gesamtheitliche Lösung darstellen. Nutzer benötigen hochpreisige Basissoftware und dauerhaften Support der Anbieter. Auch kostspielige Aus- und Weiterbildungen der eigenen Mitarbeiter sind notwendig, um die Programme effizient nutzen zu können.
Ein weiteres Problem ist das mangelhafte Zusammenspiel zwischen der Verortung der Objekte im Rechenzentrum und den zugeordneten Dokumenten. Um an Informationen eines bestimmten Objektes zu kommen, braucht es noch immer mehrere Arbeitsschritte. Für den Umbau einer Klimaanlage zum Beispiel werden Informationen aus Plänen aus den Revisionsunterlagen benötigt. Allein dieser mehrstufige Suchprozess erfordert ein Mindestmaß an Erfahrung und Know-how, ist zeitaufwendig und mitunter ergebnisoffen.
Ein guter Lösungsansatz ist das Building Information Modelling (BIM). Hier werden Gebäude/Rechenzentren durchgängig in 3D modelliert und die darin vorhandenen Objekte mit Informationen verknüpft. Am Computerbildschirm kann der Nutzer einen virtuellen Klon begehen und navigieren. Um ein gesuchtes Objekt zu identifizieren, braucht es keine zusätzlichen, mitunter kompliziert zu lesenden 2D- oder 3D-Pläne mehr. Mit wenigen Klicks lassen sich die gewünschten Informationen abrufen. Das intuitive Bedienen gleicht der Fortbewegung in einem Adventurespiel.
Nun scheitert diese an sich gute Idee jedoch daran, dass die Basissoftware für Building Information Modeling nicht nur, wie bereits erwähnt, proprietär ist, sondern überhaupt nur von wenigen Anbietern weltweit angeboten wird. Führende Anbieter, wie AutoCad, ArchiCad, Microstation oder SketchUp, tun sich bislang schwer, auch nur ein Mindestmaß an kompatiblen Schnittstellen zu schaffen.
Um Objekte und Informationen aus anderen Systemen einzubinden, müssen eine Unmenge an Interfaces geschrieben werden. In der Folge entstehen schwerfällige, ressourcenintensive Programme, die Hochleistungsrechner benötigen, um einigermaßen flüssig das Navigieren in den Rechenzentren und das Abrufen von Objektinformationen zu ermöglichen. Verstärkt wird dieser Effekt durch detailgetreue Abbildungen bzw. das hohe Maß an Detailtiefe. Aus Sicht der Architektur und Planung ist diese natürlich notwendig – aber gilt das auch für den Rechenzentrumsbetrieb?
Im Rechenzentrumsbetrieb kommt es beim virtuellen Klon nicht so sehr auf die Detailtreue an. Vielmehr braucht es eine Oberfläche, mit der der Nutzer die Objekte schnell und intuitiv identifizieren kann, um dann mit wenigen Klicks an die relevanten Informationen zu gelangen. Für den täglichen Betrieb ist es unwichtig, ob etwa der Lichtschalter Millimeter genau im virtuellen Plan positioniert ist oder das Klimagerät die originalen Abmaße besitzt. Zur Identifikation genügt ein grob fotorealistischer Klon des Objektes an der erwarteten Stelle. Alle weiteren Informationen mit der benötigten Detailtiefe können auf der nächsten Informationsebene liegen.
Für den Betreiber des Rechenzentrums ist der schnelle und ortsunabhängige Zugriff auf die relevanten Informationen entscheidend. Diese sollen unmittelbar vor dem Objekt im RZ abgerufen werden können. Zusätzlich sollte ein entsprechender Zugriff nahezu ohne Vorwissen funktionieren.
Bei der Lösungsfindung hilft der Blick in andere Branchen: So entwickelt etwa die Gaming-Branche immer ausgefeiltere, detailtreue Welten. Es werden ganze Städte nachgebaut, der Spieler taucht in Welten ein, bei denen die Grenze zwischen Realität und Vision immer mehr verschwimmt. Aufgaben müssen erfüllt und Informationen ausgetauscht werden – mit Aufgabenstellungen, die mitunter komplizierter ausfallen als die Anforderungen im Rechenzentrumsbetrieb. Im Computerspiel stehen dabei alle statischen und interaktiven Daten orts- und zeitunabhängig zur Verfügung. Und das nicht etwa nur auf Hochleistungsrechnern, sondern auf PC´s, Laptops, Tablets und Smartphones. Und: Der Spieler braucht keine langwierigen Schulungen, um das Programm bedienen zu können.
Ein weiterer Erfolgsgarant, den man sich aus dieser Branche abschauen kann, ist die Bereitstellung von Basissoftware auf Open-Source-Plattformen. Damit wirken weltweit Menschen in offenen Dialogen bei der Weiterentwicklung der Software mit. Der Kerngedanke ist ein Miteinander und kein gegenseitiges Konkurrenzgebaren, wie es in proprietären Systemen der Fall ist. Der Innovationsprozess ist um ein Vielfaches höher, der Zugriff auf Support leichter und kostengünstiger.
Schließlich beschränken sich die Basisanwendungen auf ein Minimum an Schnittstellen. Die notwendigen Informationen werden nicht in die Programme, sondern als “Add-ins“ über klar definierte Schnittstellen mit eingebunden.
Mit dem Ansatz „Keep it simple“ lassen sich mit der Einbindung von Gaming-Plattformen gleich mehrere Herausforderungen im Rechenzentrumsbetrieb lösen: Zunächst erreicht man weitere Fachkräfte, die mit Ihren Ideen die Visualisierung und das Dokumentenmanagement vereinfachen und flexibler gestalten können. Wo bislang nur Fachkräfte aus der Architektur- und Ingenieursbranche einsetzbar waren, können nun Programmierer und Datenbankanalysten aus einer jungen, stark wachsenden Branche eingebunden werden.
Des Weiteren gewährleistet der Ansatz, ein Rechenzentrum wie in einem Spiel zu managen, ein einfaches Handling: Anwender bewegen sich intuitiv in alltagsnahen Visualisierungen und können mit geringem Fachwissen tiefgründige Prozesse schnell verstehen und interpretieren. Hilfestellungen wie Erklärungstexte, Lernvideos oder sonstige Unterstützungstools können digital eingebunden werden. Auch „Remote hands“-Unterstützungen aus der Ferne sind möglich. Durch den unmittelbaren Zugriff auf alle Informationen und Daten in Echtzeit werden Situationsanalysen um ein Vielfaches einfacher.
Neue Wege sind notwendig, um den steigenden Anforderungen des RZ-Betriebs weiterhin gerecht zu werden. Dies könnte eine interessante, vielversprechende und zukunftsorientierte Lösung in der digital fortschreitenden RZ-Welt sein.
Dieser Artikel ist Ende Juni auf Englisch erschienen im dotmagazine des Eco-Verbandes.
Mehr zu unserer Lösung finden Sie unter https://plan2run.de/.
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